Über das Miteinander der Generationen
Generationen treffen bei der Familie Salzgeber nicht nur beim Raclette-Essen, sondern auch auf der Moderationsbühne aufeinander. Im Gespräch erzählen Rainer Maria Salzgeber und seine Tochter Cloé von den Unterschieden zwischen ihren Generationen und darüber, wie sie voneinander lernen.
Cloé Maria Salzgeber, Sie haben sich im Rahmen Ihrer Bachelorarbeit ausführlich mit der Generation Z befasst. Wie würden Sie Ihre Generation beschreiben?
Cloé Maria Salzgeber: Wir sind mit dem Smartphone aufgewachsen, sind ständig und global digital vernetzt. Das eröffnet uns zwar viele Chancen, gleichzeitig ist das Natel immer präsent. Das ist nicht immer einfach. Zudem verändert sich die Einstellung zu Arbeit und Freizeit: Der Beruf steht für viele nicht mehr an oberster Stelle, der Ausgleich zum Arbeitsleben ist wichtiger.
Rainer Maria Salzgeber: Wenn Generationen aufeinandertreffen und eine Diskussion über Werte geführt wird, sollte man vorsichtig sein mit einem Urteil. Die jungen Leute heute haben einen anderen Massstab als beispielsweise die Generation X, der ich angehöre. Sie wollen weniger arbeiten, weniger besitzen, mehr reisen, mehr erleben. Meine Generation wurde anders sozialisiert, deshalb treffen unterschiedliche Meinungen aufeinander und es kommt zu Reibereien. Diesen Generationenclash gab es immer schon: Meine Generation wollte es anders machen als die Woodstock-Generation, und diese protestierte auch gegen die vorangehende Generation. Es ist völlig natürlich, dass sich Generationen unterscheiden.
Cloé Maria Salzgeber: Die Generation Z ist momentan sehr präsent und sticht heraus, aber jede Generation hat ihre Besonderheiten und Merkmale. Wir sind mit globalen Krisen wie der Covid-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und dem Klimawandel aufgewachsen. Ich habe zum Beispiel aufgrund der Covid-Pandemie einen grossen Teil meiner Studienzeit zuhause verbracht. Dabei wäre dies ein Alter, in dem man ausgehen, Menschen treffen und etwas erleben möchte. Dieses Momentum war sehr einschneidend für meine Generation und kann sich zum Beispiel langfristig darauf auswirken, welchen Stellenwert Freunde und Familie haben.
«Der ‹Gen Z› wird pauschal unterstellt, sie wolle weniger arbeiten, aber mehr verdienen. Dabei können sich viele junge Menschen damit nicht identifizieren.»
Rainer Maria Salzgeber, welche Unterschiede fallen Ihnen auf, wenn Sie Ihre Anfangszeit als Moderator mit derjenigen Ihrer Tochter vergleichen?
Rainer Maria Salzgeber: Handwerklich gibt es kaum Unterschiede, ein Moderator muss heute die gleichen Voraussetzungen und die gleiche Disziplin mitbringen. Der grosse Unterschied liegt in den Rahmenbedingungen: Mit den sozialen Medien kann heute jeder ein Moderator sein. Die junge Generation wächst mit diesem neuen Hilfsmittel auf und inszeniert sich auf den Plattformen von klein auf. Wir mussten damals viel geben, um unsere Plattform zu finden, sei das beim Radio, wo ich begonnen hatte, oder später beim Fernsehen. Früher war man als Moderator einer unter wenigen, heute ist man einer unter ganz vielen. Dadurch wird es für die jungen Kolleginnen und Kollegen schwieriger, sich von der grossen Masse abzuheben.
Cloé Maria Salzgeber: Ich denke auch, dass mit den sozialen Medien die Konkurrenz heute grösser ist. Mit einem YouTube-Format bist du schnell ein sogenannter Host.
Rainer Maria Salzgeber: Ob die Konkurrenz auch bezüglich Qualität grösser geworden ist, bezweifle ich. Wer kein Moderationstalent hat, der findet auch keine Plattform – egal, ob vor dreissig Jahren oder heute. Generell sollte man die Zeiten nicht zu sehr miteinander vergleichen: Jede Generation hat ihre eigenen Plattformen und Rahmenbedingungen.
Vater und Tochter als Moderationsduo
Rainer Maria Salzgeber (geb. 1969) arbeitet seit 1994 beim Schweizer Fernsehen SRF und gehört zu den beliebtesten Moderatoren der Schweiz. Seit September 2014 begleitet er die Spiele der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft und seit 2019 moderiert er zudem den «Donnschtig Jass». Seine Tochter Cloé Maria Salzgeber (geb. 2001) hat ein Kommunikationsstudium an der ZHAW abgeschlossen und arbeitet ebenfalls als Moderatorin. Vater und Tochter stehen als Moderationsduo auch gemeinsam auf der Bühne.
Wie lassen sich Ihrer Meinung nach unterschiedliche Haltungen der Generationen vereinbaren?
Rainer Maria Salzgeber: Wir müssen der «Gen Z» zubilligen, dass sie andere Vorstellungen hat und später das Zepter übernehmen wird. Wenn die Welt nach ihrer Vorstellung funktioniert, umso besser. Wenn nicht, gibt es eine automatische Regulierung. Weniger arbeiten, mehr verdienen, mehr reisen und die Welt gesünder machen: Wie diese Ambivalenz gelöst werden soll, weiss ich nicht. Aber man wird Lösungen finden, die Welt hat sich in Grenzsituationen immer neu erfunden.
Cloé Maria Salzgeber: Der «Gen Z» wird pauschal unterstellt, sie wolle weniger arbeiten, aber mehr verdienen. Dabei können sich viele junge Menschen, mit denen ich für meine Bachelorarbeit gesprochen habe, damit nicht identifizieren. In Sachen Work-Life-Balance schwimme ich auch gegen den Strom, ich arbeite sehr viel. Man sollte nicht alle in den gleichen Topf werfen.
Rainer Maria Salzgeber: Derzeit besteht leider die Tendenz, sich gegenseitig zu verurteilen: Unsere Generation wirft den Jüngeren vor, faul zu sein, und sie kritisieren uns, dass wir den Planeten zerstört haben. So kommen wir nicht weiter.
Cloé Maria Salzgeber: Ja, es geht nicht darum, einander Vorwürfe zu machen. Wir müssen versuchen, die Generationen zusammenzubringen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Rainer Maria Salzgeber: Gleichzeitig kann mir der Blick der jungen Generation als Spiegel für mein bisheriges Leben dienen. Wenn die «Gen Z» sagt, wir Älteren hätten zu viele fossile Brennstoffe verbraucht, dann stelle ich als über 50-Jähriger meine Lebensweise durchaus infrage. Wir alle sollten uns Gedanken über unser eigenes Leben machen und nicht nur den Fehler bei anderen suchen.
«Ich lerne von Cloé viel darüber, wie die junge Generation denkt und handelt. Zusammen mit meiner Erfahrung ermöglicht mir das eine neue Denkweise.»
Wo hat die Generation X, zu der Ihr Vater gehört, Ihrer Meinung nach Vorteile, Frau Salzgeber?
Cloé Maria Salzgeber: Die Generation meines Vaters hat viel gearbeitet und grosse Leidenschaft in den Beruf gesteckt. Ich erlebe mit, dass er alles gibt, um den Moderationsberuf auszuüben. Bis heute bereitet er sich akribisch vor, damit von A bis Z alles perfekt ist. Von dieser Einstellung und seiner Erfahrung profitiere ich sehr. Auch ich gebe alles für den Job und warte nicht darauf, dass sich der Erfolg einstellt.
Rainer Maria Salzgeber: Jede Generation sollte anerkennen, was die vorangehenden Generationen geleistet haben, um dann das Schlechte besser zu machen und das Gute zu optimieren. Dass wir heute über eine Viertagewoche und eine bessere Work-Life-Balance diskutieren, ist völlig legitim. Aber vorangehende Generationen haben den Weg hierhin geebnet: Wäre unsere Einstellung zur Arbeit eine andere gewesen, wäre diese Diskussion gar nicht möglich.
Schauen Sie sich auch etwas von Ihrer Tochter ab, Herr Salzgeber?
Rainer Maria Salzgeber: Ich mache mir durchaus Gedanken über meine Einstellung zum Beruf. Durch das grosse Engagement bin ich zwar schnell vorwärtsgekommen. Aber Cloé lehrt mich, im Leben auch andere Prioritäten zu setzen. Zudem unterstützt sie mich rein handwerklich und zeigt mir, wie man heute Botschaften vermittelt: Meine Texte müssen kürzer, knapper und kompakter sein. Ich lerne von ihr viel darüber, wie die junge Generation denkt und handelt. Zusammen mit meiner Erfahrung ermöglicht mir das eine neue Denkweise. Im Gegenzug bringe ich ihr das Raclettestreichen bei (lacht).
Cloé Maria Salzgeber: So unterschiedlich die Generationen sind, so profitieren wir doch alle voneinander. Ich helfe meinem Vater dabei, die junge Generation zu erreichen, und er teilt seine wertvollen Erfahrungen mit mir.
Rainer Maria Salzgeber: Wie eine Generation tickt, spielt eigentlich keine Rolle. Wichtig ist nur, dass wir offen sind und miteinander in den Dialog treten.