Überkantonale Gesundheitsregionen schaffen
Als Präsident des Krankenversicherungsverbandes curafutura hält Konrad Graber nichts von unreflektierten Lösungsvorschlägen. Vielmehr setzt er auf sinnvolle Reformen.
Schon kurz nach der Gründung der CSS vor 125 Jahren war das ungebremste Wachstum der Gesundheitskosten ein Problem. Weshalb sind wir heute noch nicht weiter?
Die Schweiz hat sich stets ein qualitativ hochstehendes Gesundheitswesen geleistet. Das hat seinen Preis. International sind wir – was das Verhältnis zwischen Kosten und Leistung anbelangt – konkurrenzfähig. Wir haben in erster Linie ein Finanzierungs- und nicht ein Kostenproblem. Trotzdem besteht Reformbedarf. Wir haben zu lange Ineffizienzen, Doppelspurigkeiten und Fehlanreize zugelassen.
Fühlen Sie sich als Präsident des Krankenversicherungsverbands curafutura (cf) manchmal etwas hilflos angesichts der Entwicklung?
Keineswegs. Ich wusste, was auf mich zukommt, als ich die Aufgabe übernahm. Curafutura ist ein wichtiger und vielgeachteter Player in der Gesundheitspolitik und hat jüngst bewiesen, dass er wichtige Reformen nicht nur anstösst, sondern willens ist, gemeinsam mit Partnern die Politik und die Medien von der Wichtigkeit der Reformen zu überzeugen. Aber die massgebenden Entscheide fällt immer noch die Politik.
«Curafutura ist ein wichtiger und vielgeachteter Player in der Gesundheitspolitik.»
Als Vorschlag zur Problemlösung liegt unter anderem eine Krankenkasse «light» auf dem Tisch. Eine gute Idee?
Wie immer mögen solche Vorschläge bei schneller Betrachtung als Lösung aller Probleme erscheinen. Erst die genauere Analyse zeigt die klaren Mängel auf und die «Light»-Idee erweist sich als unnötige Verschlechterung der Situation. Was ist, wenn ein Versicherter einer Kasse light plötzlich schwer erkrankt? Der Wunsch, den Leistungskatalog zu reduzieren, taucht regelmässig auf. In den letzten zwanzig Jahren, die ich überblicke, ist es politisch jedoch nie gelungen, den Leistungskatalog wesentlich zu entschlacken. Im Gegenteil, der Umfang der abgeltungsberechtigten Leistungen wurde stets ausgebaut.
Und eine Einheitskasse?
Warum sollen wir auf Wahlfreiheit, Wettbewerb unter den Versicherern mit positiven Auswirkungen auf Service und Qualität zugunsten einer Einheitskasse verzichten? Und uns glauben machen lassen, dass eine Staatskasse weniger Verwaltungsaufwand haben wird als effiziente Versicherer?
Wenn solche Vorschläge nichts taugen, welche könnten es denn sein?
Ende Jahr wurde die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS) von den eidgenössischen Räten verabschiedet. Hier war curafutura treibende Kraft und Initiantin. Das angedrohte Referendum der Gewerkschaften noch vor der politischen Schlussabstimmung im Dezember betrachte ich kritisch. Sollte es zustande kommen, müssen wir EFAS zum Durchbruch verhelfen. Es handelt sich um die bedeutendste Reform seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Ich erwarte zudem in den kommenden Monaten die Genehmigung des Tardoc, eines Tarifsystems für ambulante Arztleistungen, das den hoffnungslos überalterten Tarmed ablöst. Und dann sollte sich die Schweiz unbedingt um die Schaffung von überkantonalen Gesundheitsregionen mit Auswirkungen auf den Spitalbereich kümmern.
Sie bleiben also Optimist?
Ja, und das ist kein Zweckoptimismus. Der Leidensdruck ist so hoch, dass die vielen Player im Gesundheitswesen sich zusammenraufen müssen und die Politik handeln wird.
Zur Person
Konrad Graber (Jahrgang 1958) arbeitete als Wirtschaftsprüfer bei BDO, zuletzt als Mitglied des Verwaltungsrats. Zwischen 2007 und 2019 vertrat er für die CVP (heute «Die Mitte») den Kanton Luzern im Ständerat. Er war zudem langjähriger Verwaltungsrat der CSS und Präsident des Verwaltungsrats des Milchverarbeiters Emmi. Seit Juni 2023 präsidiert er den Krankenversicherungsverband curafutura.