Als Experimentieren noch erlaubt war

Um 1980 nahm das Zusatzversicherungsgeschäft so richtig Fahrt auf, wobei die Produktentwicklung aus heutiger Sicht schon fast abenteuerlich anmutet. Ein Blick zurück auf die diversen Versicherungsprodukte.

«Nehmen Sie sich bitte ein Beispiel an der Spitalversicherung Ihrer Konkurrenz – da können Sie nie und nimmer mithalten.» So oder ähnlich dürfte es 1977 getönt haben, als der nachmalige erste Generalsekretär Seppi Barmettler im Personalbüro einer grossen Zürcher Druckerei sass. Er war guten Mutes, das Unternehmen als neuen Kollektivkunden gewinnen zu können in einer Zeit, als das Geschäft mit den Kollektivversicherungen boomte und ein enormer Wettbewerb unter den Krankenversicherern bestand. Und dann diese Klatsche des Personalchefs. Statt jedoch klein beizugeben und demütig abzutreten, gab Aussendienstmann Barmettler ein kühnes Versprechen ab: «Ich werde wiederkommen – und unser Produkt wird besser sein als dasjenige der Konkurrenz.» Ein fortschrittliches Denken, wie es in die Geschichte der CKUS passt: Seit der Gründung wurden immer wieder neue Versicherungs­produkte lanciert. Aber kaum eines dürfte so rentabel gewesen sein wie das von Seppi Barmettler 1977 im Personalbüro einer Druckerei angekündigte – das erst als vage Idee in seinem Kopf existierte.

Die weiteren Versicherungen

Im Verlauf der Unternehmensgeschichte wurden nebst den bereits erwähnten laufend neue Versiche­rungen lanciert (und teilweise nach gewisser Zeit wieder aufgegeben). Die – nicht abschliessende – Übersicht:

1919: Sterbegeldversicherung sowie obligatorische Unfallversicherung
1920: Unfalltod- und Unfallinvaliditätsversicherung
1933: Tuberkuloseversicherung 
1949: Dreistufige Zusatzversicherung für Spitalkosten
1954: Versicherung für Motorfahrzeugunfälle
1955: Kinderlähmungsversicherung
1959: Versicherung für Spitalbehandlungskosten

In wenigen Wochen entwickelt

Was in der Zeit nach dem Besuch in Zürich passierte, müsste man aus versicherungstechnischer Sicht wohl als Experiment bezeichnen. Nebst seiner Arbeit als Aussendienstler entwarf Barmettler kurzerhand ein neues Versicherungsangebot. «Als Basis diente uns das Konkurrenzprodukt – wir machten es einfach noch um einen Zacken einfacher und vor allem attraktiver», schmunzelt Seppi Barmettler fast fünfzig Jahre später. Eine Projektgruppe bestand ebenso wenig, wie tiefschürfende versicherungstechnische Berechnungen bezüglich der Rentabilität angestellt wurden. «Und auch seitens der CKUS-Kader und der Informatik schlug mir grosse Skepsis entgegen.» Denn solche Alleingänge war man in der hierarchisch strukturierten CKUS nicht gewohnt. Aber Barmettler hatte den damaligen Zentralpräsidenten Beat Weber im Boot – und konnte so mit seiner Idee durchstarten, die da hiess: kombinierte Spitalversicherung. Sie beinhaltete eine unlimitierte Deckung der Kosten. Auch die Spitalwahl war völlig frei. Sie umfasste sämtliche öffentlichen und privaten Spitäler in der ganzen Schweiz. Die Kundinnen und Kunden mussten sich bei Versicherungsabschluss einzig noch entscheiden, ob sie allgemein, halbprivat oder privat behandelt werden wollten. Als einzige Hürde blieb das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), das noch seinen Segen dazu geben musste.1 Doch das war zu jener Zeit reine Formsache. «Unsere Versicherung mit Beat Weber an der Spitze hatte bei der Bewilligungsbehörde einen guten Ruf – und so reichten einige klärende Rückfragen.» Bereits per 1. Januar 1978 war der Vertrag mit der Druckerei unter Dach und Fach. Und weil das Produkt so überzeugend war, wurde es bloss wenige Monate später auch für Individual­versicherte zugänglich gemacht. Es war die Geburtsstunde der wohl ersten Zusatzversicherung, die ordentlich Geld in die Kassen des Unternehmens spülte.

1 Für ein neues Versicherungsprodukt musste beim BSV eine Eingabe gemacht werden. Dieses prüfte die Unterlagen und gab in der Regel sein Einverständnis. 

Das barmherzige CKUS-Opfer

Wohl eher als Akt der Barmherzigkeit muss man das zweite Versicherungsprodukt bezeichnen, das die CKUS 1914 gleichzeitig mit der Krankenpflegeversicherung für Erwachsene lancierte: die Kinderversicherung. Sie übernahm die Arzt- und Spitalkosten für Kinder und wurde vom Präsidenten als «Opfer im Hinblick auf die soziale Sicherstellung christlicher Arbeiterfa­milien» gesehen. Ein Opfer war es denn auch tatsächlich. Die Versicherung entwickelte sich zwar prächtig, aber bloss hinsichtlich der steigenden Mitgliederzahlen. In der Kasse klafften bald schon immense Defizite, worauf man die Kinderkasse nach bloss zehn Jahren kurzerhand mit der Gesamtkas­se zusammenlegte. Bei später lancierten Produkten verliess man sich dann weniger auf christliche Nächstenliebe als vielmehr auf die nackten Zahlen.

Ein guter Ruf – aber teuer

Gleichzeitig bot das neue, hochrentable Produkt auch Anlass, die Grundversicherung der CKUS genauer unter die Lupe zu nehmen. Diese war über Jahre hinweg aufgebläht worden. Es wurden Leistungen bezahlt, die in der Grundversicherung nichts verloren hatten. Ein Geschäftsgebaren, das bei diversen Kassen lange Zeit gang und gäbe war, zumindest bis ins Jahr 1996, als das neue Krankenversicherungsgesetz mit klaren Vorgaben in Kraft trat. «Die CKUS hatte so zwar den Ruf, über grosszügige Leistungen zu verfügen», sagt Seppi Barmettler, «entsprechend hoch waren aber auch die Prämien, was wiederum zulasten der Konkurrenzfähigkeit ging.» Auch hier machte sich Barmettler als Initiator und Motor für den grundlegenden Umbau der Versicherungspalette stark: Die Grundversicherung wurde auf das gesetzlich vorgesehene Minimum entschlackt und alles andere in den Zusatzversicherungsbereich ausgelagert. Es war einerseits die Geburtsstunde weiterer, mitunter lukrativer Zusatzversicherungen, und andererseits konnte die CSS wieder mit konkurrenzfähigen Grundversicherungsprämien aufwarten. So schwang sie sich nach und nach zur grössten und solidesten Krankenversicherung der Schweiz auf.